Unternehmen in der Region:

Nachhaltige Vanille vom Kaiserstuhl

November 2022

Kurz & knapp

Andréa Ralisendra und Stefan Wissert:

  • Andréa Ralisendra ist in Antananarivo, Madagaskar, geboren und Stefan Wissert kommt aus Endingen am Kaiserstuhl. Sie sind seit 2015 verheiratet.
  • 2019 gründen sie die Vanillekiste und verkaufen über ihren Web-Shop nachhaltige und fair produzierte Vanille und Gewürze.
  • durch die Vermeidung von Zwischenhändlerinnen und -händlern und dem direkten Bezug der Produkte von den Erzeugerfamilien, ermöglichen sie eine transparente und kurze Lieferkette und eine einzigartige Qualität der Produkte.

Jahr für Jahr steigt in Deutschland der Anteil an nachhaltig produzierten Kakao in Süßwaren. Wenn es also um die Schokolade geht, sind Verbraucherinnen und Verbraucher zum bewussten Genuss übergegangen. Eher seltener ist zu hören, dass den Menschen nachhaltige Vanille am Herzen liegt. Und ein Gang in den Supermarkt zeigt in der Regel, dass es zwar Vanilleschoten zum Kauf gibt. Die Bedingungen, unter denen diese produziert werden, sind aber häufig ungewiss. Andréa Ralisendra und Stefan Wissert in Jechtingen am Kaiserstuhl wollen das mit ihrer “Vanillekiste” ändern. Wir haben bei Stefan Wissert nachgefragt, wie die Vanillekiste entstanden ist, welche Ziele das Unternehmen verfolgt und wohin die Reise gehen soll.

Herr Wissert, wie kamen Sie und Ihre Frau auf die Idee Vanille zu vertreiben?

2016 feierten meine Frau und ich unser traditionelles madagassisches Verlobungsfest „Vodiondry“. Der Großvater von Andréa führte durch die Zeremonie. Anschließend kamen wir ins Gespräch und er erwähnte, dass er seit vielen Jahren im Vanilleanbau tätig ist, aber sehr unter den Strukturen des Gewürzhandels leidet, wie sie seit der Kolonialzeit bestehen: Viele, meist in Europa sitzende Zwischenhändlerinnen und -händler bekommen den großen Teil des Kuchens ab, während die, die auf Madagaskar hart dafür arbeiten, nur einen kleinen Teil abbekommen. In diesem Moment war die Idee geboren, die Zwischenhändler zu überspringen und Vanille direkt zu vertreiben.

Wie ist es schließlich zur tatsächlichen Gründung der Vanillekiste gekommen? Verlief alles so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Zur Gründung kam es erst ein paar Jahre später: 2019 – der Gewürzimport aus Madagaskar ist mit vielen bürokratischen Hürden verbunden, die Mindestabnahmemenge war relativ hoch. Da wir keine Erfahrung hatten und Vanille zu diesem Zeitpunkt sehr teuer war, starteten wir mit einer Crowdfunding-Kampagne: Unterstützerinnen und Unterstützer konnten Vanille vorbestellen, die Bestellung kommt aber erst zustande, wenn sich genügend Kundinnen und Kunden finden, um die Kosten für den Import zu decken. Zuerst war es als einmaliges Projekt geplant, aber da die Resonanz so toll war, haben wir uns dazu entschieden, einen Onlineshop zu bauen und die Vanillekiste weiter zu betreiben.

Was ist das Besondere an Ihrem Unternehmen?

Obwohl das Produkt weit gereist ist, gibt es bei uns die Möglichkeit, dieses direkt von der Erzeugerfamilie zu beziehen. Dadurch ermöglichen wir eine sehr transparente und kurze Lieferkette und eine Qualität, die hierzulande ihresgleichen sucht.

Wie sah bzw. sieht die Zusammenarbeit mit der Volksbank Freiburg dabei aus?

Vanille kann nur zu einer bestimmten Zeit im Jahr gekauft werden, die Ernte ist schnell vergriffen. Da der Einkaufspreis staatlich festgelegt und relativ hoch ist, hatten wir bislang oft die Schwierigkeit, dass wir nicht genug Vanille einkaufen konnten und in den Sommermonaten keinen Bestand mehr hatten, obwohl das für unsere Eisdielen-Kundinnen und -Kunden die wichtigste Zeit ist. Die Volksbank Freiburg ermöglichte es uns durch eine gezielte Beratung, eine Wachstumsfinanzierung der KfW zu bekommen, um eine größere Menge Vanille einkaufen zu können, die uns über den Sommer und durch die schwache Ernte 2022 gebracht hat.

Woher kommt die Vanille, die Sie verkaufen? Nur von der Farm Ihrer Familie oder gibt es noch andere Bezugsquellen?

Ja, tatsächlich kommt die Vanille nur von der eigenen Familie, wo die Vanille teils selber angebaut, teils grün von Bauern im Umland eingekauft wird und dann in einem sehr aufwendigen und arbeitsintensiven Prozess verarbeitet wird.

Beim Kakao wissen inzwischen viele Menschen, wie wichtig ein nachhaltiger Anbau davon ist. Bei Vanille hingegen ist das noch nicht so bekannt. Unter welchen Bedingungen wird denn herkömmliche Vanille überhaupt angebaut bzw. warum ist ein nachhaltiger Anbau für Sie so wichtig?

Der Anbau ist aus mehreren Gründen oft problematisch. Dazu zählen Kriminalität und Schwarzhandel von gestohlener Vanille, Kinderarbeit, schlechten Arbeitsbedingungen für Bäuerinnen und Bauern und Angestellte sowie Internationale Zwischenhändler, die Produzenten unter Druck setzen und durch Korruption Mindest-Exportpreise umgehen.

All das zu umgehen und zu vermeiden liegt natürlich auch in der Verantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten in Europa. Dabei hilft einerseits eine unabhängige Kontrolle durch Zertifizierungsstellen, aber auch ein Transparentmachen der Lieferkette. Je kürzer die Lieferkette ist, desto besser kann sichergestellt werden, dass diejenigen, die hart für die Produkte arbeiten, ihren fairen Teil abbekommen und zu Bedingungen arbeiten, die man guten Gewissens vertreten kann.

Wie können Endverbraucherinnen und Endverbraucher denn erkennen, ob die Vanilleschote, die sie gerade in der Hand haben, von einer hohen Qualität ist? Geht das nur über den Preis oder gibt es noch andere Merkmale, die zu berücksichtigen sind?

Tatsächlich ist das gar nicht so einfach, da hier alle Sinne beansprucht werden: Die Schoten sollten ölig, biegsam und fleischig sein. Einige der Qualitätsmerkmale wie der Vanillin-Gehalt sind zwar erst im Labor objektiv feststellbar, subjektiv können wir uns hier aber auf unseren Geruchssinn verlassen, da wir instinktiv durch das Aroma die Qualität erkennen können.

Die Vanille vermarkten Sie direkt über Ihren Webshop und seit August 2022 in Ihrem Laden in Jechtingen am Kaiserstuhl. Warum haben Sie sich dagegen entschieden Ihre Produkte in anderen Geschäften zu verkaufen?

Wir sind ja mit dem Ziel gestartet, Zwischenhändler zu überspringen und nicht ein weiterer Zwischenhändler zu werden. Wir beliefern aber mittlerweile durchaus einige Feinkostläden, weil sich unsere Qualität herumgesprochen hat und sind, was das betrifft, mittlerweile offener geworden.

Sie verkaufen ja nicht nur Vanille, sondern auch andere Gewürze, etwa Zimt, Kurkuma oder Chili. Woher kommen diese Produkte und wie kontrollieren Sie, dass diese tatsächlich nachhaltig angebaut wurden?

Von den Gewürzen, die später dazu gekommen sind, ist mit Sicherheit unser wilder Urwaldpfeffer „Voatsiperifery“ das Gefragteste. Die Produkte kommen ebenfalls aus Madagaskar, von einem vertrauenswürdigen, von unserer Familie empfohlenen Lieferanten. Da unsere Lieferkette kurz ist und wir familiäre Verbindungen vor Ort haben, können wir die Qualität und die Nachhaltigkeit im Anbau sehr gut überblicken und kontrollieren. Außerdem sind wir Fair Trade zertifiziert, dadurch wird die Nachhaltigkeit nochmal von unabhängiger Stelle bestätigt.

Dass Ihnen Nachhaltigkeit und Umweltschutz wichtig ist zeigt sich nicht nur an der Vanille, die Sie verkaufen, sondern auch an konkreten Projekten. So pflanzen Sie für jedes verkaufte Produkt in Madagaskar einen Setzling und Sie lassen das gewichtsmäßige Äquivalent des von Ihnen eingesetzten Verpackungsmaterials als Meeresplastik aus dem Meer bergen. Können Sie uns über diese Projekte ein bisschen mehr erzählen?

Die Idee entstand, nachdem wir mit Erschrecken erfahren haben, wie dramatisch die Folgen des Klimawandels, der Entwaldung und der Umweltverschmutzung auf Madagaskar heute schon sind. Unser Wunsch war es, zur Verbesserung der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit zwischen Produktionsland und Konsumentenland beizutragen. Darum haben wir mit der Organisation „Eden Reforestation Projects“ eine Partnerschaft geschlossen, sodass quartalsweise - abhängig von unserem Bestellvolumen - Bäume gepflanzt werden, und zwar von eigens dafür angestellten und ausgebildeten Dorfbewohnerinnen und -bewohnern auf Madagaskar.

Um einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen, der über die gesetzliche Verpflichtung des Verpackungsgesetzes hinaus geht, haben wir uns außerdem entschieden, bei der Organisation „The Plastic Bank“ Plastik-Zertifikate für das von uns eingesetzte Verpackungsmaterial zu erwerben, ähnlich, wie man es z.B. von der CO2-Kompensation für Flugreisen kennt.

Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten wir darüber hinaus mit der kleinen, britisch-madagassischen Organisation „Seed Madagascar“ zusammen, die im Süden Madagaskars, wo Andréa geboren und aufgewachsen ist, Ernährungs-, Bildungs- und Gesundheitsprojekte durchführt. Unsere Online-Kundinnen und -Kunden haben hier die Möglichkeit, beim Bezahlprozess einen freiwilligen Betrag an Seed zu spenden und so deren großartige Arbeit zu unterstützen.

Vanille, Gewürze, Geschenkideen – Ihr Sortiment wird ja ständig ausgebaut. Gibt es denn schon Pläne, wohin Ihr Unternehmen sich entwickeln soll?

Schwer zu sagen, da es meistens ja doch ganz anders kommt, als gedacht. Unser ambitioniertes Ziel ist, dass jeder, der in Deutschland hochwertige Gewürze aus Madagaskar braucht und Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit legt, zuallererst an uns denkt. Unser Fokus bleibt also bei den Gewürzen.

Durch Kooperationen mit Partnern kommen aber ständig neue Kreationen wie Gewürzmischungen, Feinkostprodukte und Geschenksets hinzu. Wir achten sehr auf das Feedback unserer Kundinnen und Kunden und versuchen flexibel darauf einzugehen, was diese sich wünschen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wissert.

 

Bildquelle: Bild 1+2: SaschPhotoart Neu-Isenberg / Bild 3: Vanillekiste