Seitdem ich Anfang der 90er Jahre als Student nach Freiburg gezogen bin, hat mich schon immer fasziniert, wie voll die Innenstadt hier ist. Egal, ob Sommer oder Winter, ob kalt oder warm, ob Mittag oder Abend. Man schwimmt quasi immer in einer Menschenmenge. Die Einzelhandelsgeschäfte sind gut gefüllt. In den meisten Cafés findet man nur mit Glück auf Anhieb einen Platz. Gleichwohl befürchten laut Südbadischem Handelsverband aktuell ein Drittel der Händler Umsatzrückgänge.
Zum Shoppen in die Stadt? Oder doch lieber auf die Couch?

Experten gehen von einem Verlust von circa 50.000 Geschäften bundesweit in den nächsten Jahren aus. Die wesentliche Herausforderung stellt für den klassischen stationären Einzelhändler dabei der Online-Handel dar.
Die Gründe für diese Entwicklung kann ich an meinem eigenen Einkaufsverhalten durchaus nachvollziehen. Ich bin eigentlich ein Verfechter davon, lokale Händler zu unterstützen und gehöre nicht zu den Schnäppchenjägern. Meine Kaufentscheidungen treffe ich am liebsten auf Basis einer guten Beratung, bestenfalls durch eine Verkäuferin oder einem Verkäufer meines Vertrauens. Und mir ist durchaus bewusst, dass ich als Konsument Verantwortung trage und ich mit meinem Kauf vor Ort den Erhalt von Arbeitsplätzen unterstütze und zu einer Vielfalt an verschiedenen Geschäften in den Innenstädten beitragen kann.

Und gleichwohl gibt es die Momente, in denen ich den Online-Einkauf vorziehe. Dies kommt immer dann vor, wenn ich genau weiß, was ich will. Beispiel Bücher: Wenn ich einen bestimmten Titel haben möchte, mag ich nicht das Risiko eingehen, dass die Buchhandlung diesen gerade nicht vorrätig hat und ich ein zweites Mal zur Abholung hingehen muss. Dann doch lieber direkt nach Hause oder in die Packstation auf meinem Arbeitsweg liefern lassen.
Oder ich sehe auf Instagram das Sakko des italienischen Modelabels, dessen Namen ich noch nie gehört habe, das aber weltweit ohne Versandkosten verschickt. Da bestelle ich direkt und suche nicht erst nach einem Händler vor Ort, der dann vielleicht die Marke, aber nicht dieses eine Sakko hat.
Und wenn ich ehrlich bin, nervt mich der wöchentliche Einkauf der Dinge des täglichen Bedarfs schon enorm: Ich gehe gerne zum Metzger, um ein schönes Stück Fleisch auszusuchen und möchte mir das Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt bei meinem Lieblingsstand auch immer ansehen und selbst aussuchen. Aber Klopapier, Waschmittel, Joghurts und ähnliches einkaufen gehen, ist mir Last und keine Freude. Wenn ich dies online erledigen könnte, wäre ich dabei.
Hinzu kommt, dass das Internet mir ermöglicht, mich umfassend über Produkte zu informieren. Ich bekomme schnell alle notwendigen Informationen. Bewertungen, Erfahrungsberichte und Preisvergleichsportale sorgen für eine umfassende Transparenz. Auch hier ist schnell der Button „Zahlungspflichtig bestellen“ gedrückt und die Bequemlichkeit siegt.

Ich bin in meinem Einkaufsverhalten sicherlich nicht untypisch. Die Frage, die sich stellt, ist also: Wie sieht der Einzelhandel der Zukunft aus? Aus Sicht von mir als Konsument ist die Antwort einfach: Es muss für mich schnell und einfach sein. Und dafür ist eine Aufhebung der Trennung zwischen stationärem und Online-Handel zwingend. Es wird sicherlich künftig reine Online-Händler geben. Aber es wird meiner Meinung nach keine rein stationären Einzelhändler mehr geben.
Warum? Ich als Kunde möchte in der Regel meinen Kaufwunsch in dem Moment befriedigen, in dem er aufkommt. Insofern wird es wichtig sein, auf allen Kanälen, die der Kunde nutzt, präsent zu sein. Mich persönlich erreicht man über Produktempfehlungen auf Facebook und Instagram oder über „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, kauften auch …“ eher, als über eine Printanzeige in der Tageszeitung oder einen Werbespot im Fernsehen. Wenn mir dann über diesen Weg die Bestellung noch einfach gemacht wird und ich das Objekt der Begierde schnell erhalte, ist alles perfekt.
Neben dem einfachen Kauf spielt also auch die Lieferung eine Rolle. Auch diese sollte möglichst bequem sein. Idealerweise habe ich die Wahl zwischen der Möglichkeit, die Ware sofort mitnehmen zu können, der Lieferung nach Hause oder an einen Ort meiner Wahl oder der Abholung im Geschäft zu einem Zeitpunkt, den ich bestimmen kann.

Logistik ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dem Händler bietet sich hier aber auch eine Chance, nämlich seine Lagerhaltung zu optimieren. Ich könnte mir vorstellen, dass das Handelsgeschäft der Zukunft mehr ein Showroom und weniger ein Verkaufsraum ist. Ausgewählte Stücke werden vor Ort präsentiert, das weitere Sortiment kann anhand von Tablets gezeigt und beraten werden.
Die Toleranz des Kunden hierfür wird umso grösser sein, je schneller und einfacher er die Produkte geliefert bekommt und je unkomplizierter er diese bei Bedarf umtauschen kann. Der Händler selbst hält die Ware nicht mehr vor Ort vor, sondern kann diese bei Zwischenhändlern abrufen und direkt je nach Kundenwunsch liefern lassen. Dies spart Lagerkosten.
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor ist das Einkaufserlebnis an sich. Die Sendung „Shopping Queen“ zeigt jeden Tag, das genügend Menschen Spaß am Einkaufen haben. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Die Kunst wird es sein, das Einkaufen noch stärker zu inszenieren.
Ein Schlüssel hierfür ist das Personal, dass zunehmend vom Verkäufer zum Kundenberater werden muss. Ein weiterer Schlüssel ist das stetige Zuschneiden der Produkte auf den einzelnen Kunden, bis hin zur Personalisierung. Schlüssel zum Erfolg ist, dass ich als Händler meine Kunden persönlich kenne. Wir fühlen uns doch alle in den Läden am wohlsten, in denen wir mit unserem Namen begrüßt werden. Dies kann der Online-Handel zwar auch bieten, aber von einem Menschen wird dies immer schöner klingen als von einem schnöden Algorhythmus.
Das alles klingt ganz schön herausfordernd? Ja, aber machbar. Der Einzelhandel steht vor einem Umbruch, der sich auch auf das Erscheinungsbild unserer Innenstädte auswirken wird. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch künftig in unseren Fußgängerzonen nicht nur Drogeriemärkte, Handyshops und Systemgastronomie finden werden, sondern auch regionale Anbieter und Familienunternehmen.
Mit der richtigen Verzahnung zwischen Online- und stationärem Angebot können diese ihren Kundenkreis erweitern und langfristig erfolgreich sein und für Vielfalt sorgen. Insofern bin ich sehr gespannt, wie sich die Kaiser-Josef-Straße in zehn Jahren wohl präsentieren wird. Sie wird sicherlich gewohnt voll sein.