Eine stabile Entwicklung trotz weiter rückläufigen Zinsüberschusses hatte Volksbank-Chef Uwe Barth zu Beginn des Jahres prognostiziert. Ob diese Erwartungen eintreffen, wie flexibel seine Bank bleiben muss, ob mit weiteren Filialschließungen zu rechnen ist - das und vieles mehr verriet er Stadtkurier-Redaktionsleiter Stefan Ummenhofer.
Volksbank Freiburg Vorstand Uwe Barth im Finanzgespräch
Fortschritte beim Neubau, niedrige Zinsen und BREXIT

SK: Die offensichtlichste Frage zuerst: Die Baufortschritte des Volksbank-Areals sind täglich zu sehen. Ist alles im Zeitplan?
Barth: Ja, wir sind erfreulicherweise voll im Zeitplan. Zwei von vier Kränen sind bereits weg, und wir werden noch in diesem Jahr – voraussichtlich im Dezember – Richtfest feiern. Der Einzug in die neuen Räumlichkeiten wird dann wie geplant 2021 stattfinden.
SK: Gab es bislang unvorhergesehene Probleme?
Barth: Glücklicherweise nicht. Der heikelste Teil war sicher der Abbruch – auch der der Tiefgarage mit dem theoretischen Risiko, dass Nachbargebäude beschädigt werden könnten. Es wurde aber sehr präzise gearbeitet – wir sind deshalb sehr zufrieden.
SK: Dann können wir zu den finanzpolitischen Themen übergehen.
Schlagzeilen gehörten zuletzt wieder EZB-Chef Mario Draghi, der die Nullzins-Politik weiter verschärfen möchte: Die BILD-Zeitung ernannte ihn zu „Graf Draghila“, der die Sparer aussaugen wolle. Haben Sie ähnliche Assoziationen...?
Barth: In dieser Massivität sicher nicht (lacht). Die EZB versucht, Impulse zu setzen und die Wirtschaftspolitik anzukurbeln, aber Geldpolitik mit dem Holzhammer zu betreiben, ist schwierig, weil sich die Volkswirtschaften im EZB-Raum nun mal stark unterscheiden. Und: Die EZB hat inzwischen 30 Prozent aller Staatsschulden der EU angekauft – rund 2250 Milliarden Euro. Dadurch wird die Preisbildung am Markt verzerrt und die Staatsverschuldung letztlich erleichtert.
SK: Und die deutschen Sparer stöhnen...
Barth: Dem ist so – und das kann ich angesichts der Situation gut nachvollziehen. Durch die massive Geldflutung durch die EZB gibt es keinen Preis für Geld mehr, dies führt auf der einen Seite zu erheblichen Folgen für Sparer, Banken, Versicherungen, Pensionsfonds etc. und auf der anderen Seite werden die Aktienmärkte und Immobilienmärkte mit Geld überhäuft. Gesund ist das sicher auch nicht. Der deutsche Aktienindex beispielsweise ist getrieben durch die Liquidität, nicht durch die Gewinnerwartung der Unternehmen.
SK: Bleiben wir bei internationalen Themen: Mit zunehmender Fassungslosigkeit verfolgen viele Menschen den Eiertanz um den BREXIT. Inwieweit hat dieser auch Auswirkungen auf Ihre Bank?
Barth: Wir haben mit all unseren Kunden, die Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien pflegen, Notfallpläne besprochen. Es herrscht eine gewisse Unsicherheit bei vielen Unternehmen, denn Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner. Umso wichtiger wäre, dass man endlich wüsste, unter welchen Rahmenbedingungen sich ein solcher BREXIT nun genau abspielen würde. Und: Wenn es schon sein muss, wäre ein geregelter BREXIT natürlich besser als ein ungeregelter...
SK: Ihre Bank hat im Februar ein gutes Ergebnis für das Geschäftsjahr 2018 vorgelegt. Zur Prognose für 2019 hieß es: „Das Betriebsergebnis wird sich abschwächen, verbleibt aber auf auskömmlichem Niveau.“ So sieht es auch derzeit aus, oder?
Barth: Ja, das ist auch heute noch der aktuelle Stand der Erwartungen. Wir gehen für 2019 von einem weiter rückläufigen Zinsüberschuss, aber insgesamt einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung aus. Unsere Kreditvergabe ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Dazu muss man sagen, dass es in den Auftragsbüchern etwa beim Maschinenbau oder bei den Autozulieferern schon nicht mehr so gut aussieht und die Investitionsbereitschaft nachlässt.
SK: Droht eine Rezession?
Barth: Wir haben derzeit noch eine gute Binnenkonjunktur. Es ist auch irgendwo normal, dass es Zeiten einer eher geringeren Dynamik gibt. Die Gefahr einer richtig dramatischen Rezession sehe ich derzeit nicht. Andererseits ist Deutschland als exportorientierte Nation natürlich auch stark abhängig von der Weltwirtschaft, wir leiden besonders unter Handelsbeschränkungen.

SK: Kommen wir noch einmal kurz auf die Niedrigzinsphase zu sprechen. Wie lange wird diese mindestens anhalten?
Barth: Es gibt derzeit zwei Gründe, weshalb Zinsen steigen könnten. Erstens eine Inflationsrate über 2 %, dort endet die Wohlfühlzone der EZB und zweitens exogene Schocks, dass also beispielsweise Staaten wieder in Probleme geraten, das würde über die Risikoprämie den Zins nach oben treiben. Ich würde prognostizieren, dass die derzeitige Niedrigzinsphase noch mindestens zwölf Monate so bleibt. Vielleicht geht es dann wieder etwas nach oben, wobei wir voraussichtlich auch in den nächsten vier oder fünf Jahren keine so hohen Werte mehr wie früher erreichen – vermutlich auch noch länger nicht.
SK: Zu Ihrer eigenen Bank: Die Nachfrage nach digitalen Services steigt weiter – vom ePostfach bis zur VRBanking-App. Gibt es in diesem Bereich ein Kundensegment, das Sorgen wegen des Datenschutzes hat, oder ist das Interesse in allen Kundengruppen ungebrochen?
Barth: Die digitalen Services machen inzwischen weit über 50 Prozent aus – mit deutlich zunehmender Tendenz. Was es allgemein bei einigen Menschen gibt, ist die generelle Angst um die Sicherheit ihres Bankkontos. Dem haben wir mit der Zwei-Faktoren-Authentifizierung entgegengewirkt – wir haben also entsprechend dem technisch sichersten Standard vorgesorgt. Wichtig ist und bleibt die Beachtung der allgemeinen Regeln für den sicheren Umgang mit dem Internet.
SK: Ist es ein Vorteil, dass man im Ernstfall als Regionalbank vor Ort erreichbar ist und nicht anonym etwa auf den Cayman Islands sitzt?
Barth: Nicht nur das: Wenn unsere Kunden Probleme haben, können sie anrufen – und da sitzt dann ein echter Mensch am anderen Ende. Ein Experte, der direkt und individuell weiterhilft.
SK: Betreffen diese Sorgen eher ältere Menschen?
Barth: Prinzipiell schon – natürlich sind die Jüngeren tendenziell digitalaffiner, man kann es allerdings nicht verallgemeinern.
SK: Die digitalen Möglichkeiten sind ein wesentlicher Grund, weshalb viele Kunden die Bank nicht mehr persönlich aufsuchen. Auch 2018 wurden mehrere Ihrer Filialen geschlossen. Sie sagten vor einigen Monaten, man wolle „das Kundenverhalten und die Frequentierung in unseren Filialen weiter beobachten und evaluieren“. Gibt es inzwischen schon Pläne, weitere Filialen zu schließen?
Barth: Nein, momentan gibt es keine derartigen Überlegungen. Wir haben unser Filialnetz so arrondiert, dass kein Kunde länger als zehn Minuten zu einer Filiale unserer Volksbank braucht – und das ist auch gut akzeptiert worden. Derzeit haben wir noch 23 Filialen – das passt, aber natürlich wird permanent weiter evaluiert. Mit der Verschärfung der Niedrigzinsphase wird das Thema auch nicht gerade leichter für uns…
SK: Das Beispiel aus Frankfurt (Main), wo Volksbank und Sparkasse künftig kooperieren und 50 Filialen zusammenlegen, hat ein ziemliches Presse-Echo ausgelöst...
Barth: Kooperationen im Bereich der Geldausgabeautomaten gibt es bereits, auch bei uns. Von der Entscheidung, auch die Beratungsräume zu teilen, ist die Branche schon überrascht worden. Die Technik muss doppelt vorgehalten werden, der Personaleinsatz wird durch die hälftige Öffnungszeit aber reduziert.
SK: Ist so etwas in dieser Massivität in absehbarer Zeit auch in unserer Region denkbar?
Barth: Nein, zumindest in absehbarer Zeit ist so etwas kein Thema – wir haben unsere Öffnungszeiten und den Personaleinsatz optimiert und wollen Erfahrungen damit sammeln. Allerdings soll man mittel- und langfristig grundsätzlich nichts ausschließen. Klar ist nämlich: Als Regionalbank brauchen wir auch künftig viel Kreativität...
SK: Vor wenigen Tagen hat die Volksbank Freiburg acht junge Menschen vorgestellt, die ihre Ausbildung bei Ihnen begonnen haben. Ist es schwieriger als früher, passenden Nachwuchs zu finden?
Barth: Ja, die Bank hat nicht mehr die Strahlkraft, deren generelles Image hat unter der Wirtschafts- und Finanzkrise gelitten. Demzufolge haben wir und auch Kollegen anderer Kreditinstitute weniger Bewerber als früher. Qualitativ machen wir allerdings keine Abstriche und sind froh, dass wir wieder so gute Nachwuchskräfte gefunden haben.
SK: Wird erst beschlossen, wie viele Azubis man braucht, und dann wird gesucht? Oder richtet sich die Zahl danach, wie viele Bewerber wirklich geeignet waren?
Barth: Es gibt eine Bedarfsplanung, die auch mit der Personalentwicklung zu tun hat, der Bedarf ist in den letzten Jahren etwas gesunken. Wir haben dann ein hoch qualifiziertes Auswahlverfahren, bei dem wir uns sagen: Acht ideale Nachwuchskräfte sind besser als zwölf, von denen wir dann zum Teil nicht hundertprozentig überzeugt sind. Nach wie vor ist der Bankberuf ein toller und spannender Ausbildungsberuf – und jeder geht gestärkt aus einer solchen Ausbildung heraus.
Foto: Martin Beiermeister

Dr. Stefan Ummenhofer
ist seit 2008 Redaktionsleiter des STADTKURIER Freiburg. Der Politikwissenschaftler arbeitete zuvor unter anderem bei der WELT und leitete das Freiburger Büro des Schwarzwälder Boten. Bekannt ist er auch für seine – gemeinsam mit Alexander Rieckhoff verfassten – Schwarzwald-Krimis um den Lehrer Hubertus Hummel, von denen bereits elf Bände erschienen sind.