Business-Etikette

Betül Hanisch im Interview über Knigge, aktuelle No-Gos und Begeisterung im Alltag

Kurz & knapp

  • Expertin für Kommunikation, Körpersprache und Etikette
  • Gründerin der Knigge-Schule Fast Perfekt (seit 2006)
  • Coachin für Business-Knigge   
Betül Hanisch

Liebe Betül,
du hast die Knigge-Schule FAST PERFEKT gegründet und bist als Knigge-Trainerin seit vielen Jahren national und international unterwegs. Was genau ist deine Mission?

Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch das große Bedürfnis hat, respektvoll behandelt zu werden. Zudem habe ich die wertvolle Erfahrung gemacht, dass Menschen, die dauerhaft wertschätzend behandelt werden, sich von ihrer allerbesten Seite zeigen. Deshalb ist meine große Mission, die Wertschätzung des einzelnen in allen Lebenslagen für die anderen sichtbar werden zu lassen.

Was bedeutet der Begriff Business-Knigge und für wen sollte das ein Thema sein?
Business-Knigge steht für den wertschätzenden Umgang im geschäftlichen Kontext miteinander – wobei ein/e Dienstleister/in auch in schwierigeren Kundensituationen in der Lage sein sollte, den Respekt nicht aus dem Fokus zu lassen. Kundenfreundlichkeit wird oft falsch interpretiert: „Der Kunde soll erst mal freundlich sein, dann bin ich es auch.“ Dieser Umkehrschluss bleibt eine Illusion. Ich komme aus der Fliegerei und als ehemalige Flugbegleiterin steht für mich folgender Satz immer im Zentrum des Beschwerdemanagement: „never educate a customer“ (niemals Kunden belehren). Wer sich an diesen Grundsatz hält, wird seine Kommunikation automatisch auf einem wertschätzenden Level halten können. Ein Erfolgserlebnis wird es nämlich dann, wenn der schwierige Kunde/ die schwierige Kundin durch einen wertschätzenden Umgang vielleicht sogar am Ende zum größten Fan wird. Das können dann die glücklichsten Meilensteine in der Karriere werden, die uns lebenslänglich in schönster Erinnerung bleiben. Auf die Frage: „Für wen sollte das ein Thema sein?“ frage ich gerne zurück: „Für wen denn bitte nicht?“ Seit es die Menschheit gibt, ist das Thema respektvoller Umgang immer schon von Bedeutung gewesen und wird es auch immer bleiben. Wo der Respekt zu kurz kommt, gibt es immer Konflikte und wo der wertschätzende Umgang als Selbstverständlichkeit gelebt wird, ist Harmonie pur. Das, wonach wir uns alle sehnen.

"Noch vor zehn Jahren waren die Seminarinhalte mehr in die Richtung „wer öffnet wem die Türe?“. Heute sprechen wir viel häufiger darüber, dass überhaupt die Türe aufgehalten wird."

Im digitalen Zeitalter spielen sich große Teile des Geschäftsalltags online ab. Ist Knigge denn da überhaupt noch „state oft the art“? Welche Aspekte können auf die neuen Kanäle übertragen werden?
Knigge spielt selbstverständlich auch in der digitalen Welt eine zentrale Rolle. Der Sprachkanal ist dabei nicht entscheidend. Wo Kommunikation zwischen Menschen stattfindet – egal ob analog oder digital – werden Signale gesendet und vom Gegenüber interpretiert und bewertet. Wer bei einem Online-Meeting zu spät kommt, die Augen sichtbar verdreht oder jemanden ständig unterbricht, wird genauso Kritik ernten wie bei einer Konferenz in Präsenz. Es gilt weiterhin die seit Jahrtausenden bekannte „Goldene Regel“: „Was du nicht willst, das man dir tu`, das füg auch keinem anderen zu.“

Welche Trends erkennst du aktuell bzw. welche Höflichkeitsregeln haben sich gewandelt?
In den Seminaren stelle ich definitiv einen wandelnden Trend fest: Noch vor zehn Jahren waren die Seminarinhalte mehr in die Richtung „wer öffnet wem die Türe?“. Heute sprechen wir viel häufiger darüber, dass überhaupt die Türe aufgehalten wird. Der Wunsch nach einem respektvollen Miteinander ist enorm gewachsen. Sehr präsent ist in meinen Seminaren auch das Thema Kommunikation von unterschiedlichen Generationen.

Was sind deine absoluten No-Gos im Miteinander?
Die größte Strafe für den Menschen ist es, ignoriert zu werden. Ich finde Ignoranz eines der größten Respektlosigkeiten und ein absolutes No-Go im Miteinander, egal ob privat oder geschäftlich. Respektlosigkeit selbst ist ebenso ein No-Go, finde ich. Das Wort Respekt stammt aus dem Lateinischen „respectus“ und bedeutet „zurückschauen“ – also innehalten und hinter sich schauen, was habe ich „angerichtet“ mit meinem Verhalten. Wie reagiert jemand auf meine Art, wie ich mit ihm umgehe? Es ist an der Zeit für eine Selbstreflexion.

Zum Schluss wollen wir natürlich von dir noch wissen: Wie begeistert man dich als Expertin? Geht das überhaupt?
Ich bin immer wieder neu begeistert, wenn ich Menschen in der Dienstleistung begegne, die es schaffen, die Erwartungen des Kunden mit ihrem Einsatz und ihrer Freundlichkeit sogar noch zu übertreffen. Letztens hat eine Kundin an der Kasse vergessen gehabt, ihre Bananen zu wiegen und ist deshalb schnell nochmal zurück in die Obstabteilung geeilt. Ich durfte die junge Kassiererin beobachten, wie sie während der Wartezeit die restlichen Produkte der Kundin zu Ende gescannt hat und danach sogar ihren Platz verlassen hat, um die übrige Ware in die Tüten der Kundin einzuräumen. Nicht nur das: sie hat auch die bereits eingeräumten Erdbeeren aus der Tüte sehr behutsam wieder herausgeholt, damit sie nicht von der Milchtüte gequetscht werden! Ich liebe solche Menschen, die mit Kopf und Herz bei der Arbeit sind. Damit kann man mich immer wieder neu begeistern.


Herzlichen Dank für das Gespräch!