August 2022
Die Elektrizitätswerke Schönau EWS
Das baden-württembergische Schönau ist der Vorreiter in Sachen erneuerbarer Stromversorgung. Zu verdanken hat das die Stadt im Schwarzwald einer engagierten Bürgerinitiative, die sich in einer der schlimmsten Katastrophen der 80er-Jahre – der Reaktorexplosion in Tschernobyl – zusammenschloss. Die selbsternannten „Stromrebellen“ mobilisierten dabei all ihre bürgerlichen Kräfte, um der Beziehung von Atomkraft den Kampf anzusagen. Aus der Bürgerinitiative ging ein Unternehmen hervor, die Elektrizitätswerke Schönau (kurz: EWS). Sie versorgt bundesweit Bürgerinnen und Bürger mit hundertprozentigem Ökostrom. Wie die Volksbank Freiburg ist auch die EWS eine Genossenschaft und folgt damit der Philosophie: Gemeinsam schaffen wir mehr als allein. Wir haben mit dem Vorstand der EWS, Sebastian Sladek, über die Geschichte und Beweggründe der Genossenschaft gesprochen.

Herr Sladek, die Elektrizitätswerke in Schönau entstanden aus einer Bürgerinitiative im Jahr 1986. Was war der Auslöser für ihre Entstehung?
Der Auslöser war die Reaktorexplosion in Tschernobyl im April 1986. Gerade Süddeutschland war vom radioaktiven Fallout sehr stark betroffen. Das ist es auch heute noch: Viele Pilze sollte man hier nicht essen, ohne zuvor den Geigerzähler in die Hand zu nehmen. Aber was die Leute in Schönau letztendlich getroffen und in Engagement versetzt hat, war die große Ohnmacht und die große Hilflosigkeit in allen Teilen der Bevölkerung, auch seitens der Behörden.
Die 80er-Jahre waren ja für ihre Anti-Atomkraft-Proteste bekannt – nicht zuletzt entstand im Zuge der Entwicklung eine ganze Partei (die Grünen). Wie sahen die Aktionen der Stromrebellen in dieser Zeit aus?
Wir haben über acht Jahre erfolgreich unsere Stromsparwettbewerbe veranstaltet. Gewonnen hat immer derjenige, der den meisten Strom pro Kopf eingespart hat. Zu dieser Zeit hatte Deutschland noch 40 Prozent Atomstrom bezogen. Wir wollten mit der Aktion zeigen: Wenn es jedem Verbraucher gelingt, 40 Prozent seines Stromverbrauchs zu senken, dann brauchen wir überhaupt keinen Atomstrom mehr. Natürlich hatten wir auch immer zahlreiche Infostände und freitags auf dem Wochenmarkt sammelte eine unserer Gruppen, die „Eltern für atomfreie Zukunft“, Spenden für die betroffenen Kinder in Tschernobyl.
In Ihrem Kampf für Nachhaltigkeit und dem Ende des Atomstroms für die Stadt Schönau legten Sie sich mit einem großen Strommonopolisten an. Wie ist es Ihnen gelungen den Atomriesen zu bezwingen?
Kurz gesagt: Mit demokratischen Grundsätzen. Der Betrieb von Energienetzen gehört glücklicherweise zur kommunalen Daseinsvorsorge. Das heißt, die Kommunen bestimmen selbst, wer ihr Netz betreibt. In Schönau war es dann 1994 soweit, dass der 20-jährige Vertrag mit dem bisherigen Anbieter auslief und wir in der Verfassung waren, zuzuschlagen. Mit zwei Bürgerentscheiden und zwei demokratischen Mehrheiten von über 50 Prozent haben wir es dann geschafft und wurden die Stromversorgerin von Schönau. Wir können somit mit Fug und Recht behaupten, dass wir der politisch legitimierteste Energieversorger Deutschlands sind.
Heute ist die EWS eine Genossenschaft mit rund 11.000 Mitgliedern. Was lässt sich unter der genossenschaftlichen Idee verstehen?
Man kann es – ähnlich wie die Volksbank – in einem Satz zusammenfassen: Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele gemeinsam.
Nun ist es ja so, dass der Krieg in der Ukraine und die steigenden Energiepreise wieder zu einem Meinungsumschwung in der Bevölkerung führen: Viele wollen zurück zur Atomkraft oder eben längere Laufzeiten der Kernkraftwerke. Wie blickt die EWS auf diese Entwicklung?
Atomkraft ist nicht nur keine Option, sie ist auch eine Technik von gestern. Wenn der Ukraine-Krieg den Leuten in einer Sache die Augen öffnen sollte, dann dass Atomkraft eine verantwortungslose Technologie ist. Viele Atomkraftwerke stehen unter russischem Beschuss und sind nichts anderes als eine stationäre Bombe. Ich kann nicht nachvollziehen, wie in einem solchen Kontext überhaupt die Idee aufkommen kann, zur Atomkraft zurückzukehren. Wir sehen ja gerade in der Ukraine, wie gefährlich das ist.
Die Stadt Schönau gilt durch die EWS bezüglich Photovoltaik als Vorreiterin. Was können Sie anderen Städten und auch Privatpersonen in Zeiten wie diesen raten?
Wir waren in Schönau sehr erfolgreich beim Ausbau von Nahwärme. Das kommt uns jetzt bei dieser Gaskriese absolut entgegen. Nahwärme wird mit 85 bis 90 Prozent Biomasse beheizt, was sie natürlich zu einer guten Alternative macht. Ich denke aber, dass Energie- und Stromsparen im Privaten wieder ein großes Thema werden wird. Hier sollte sich jede und jeder die Frage stellen: Wie viele Kilowattstunden erzeuge ich, die ich gar nicht erzeugen muss? Das Sparen fängt dann schon im Kleinen an: Darauf achten, dass das Licht ausgeschaltet ist oder die Raumtemperatur mal ein bis zwei Grad runterstellen. Oft sind es wirklich schon solche Kleinigkeiten, die einen großen Effekt haben. Dessen sollten sich alle bewusst sein.
Im Prinzip kämpfen Sie doch dafür, dass es irgendwann gar keine Stromrebellen mehr geben muss, oder?
Ja, das war auch immer unser Credo. Wenn wir es schaffen, dass 100 Prozent der Energie dezentral und in der Hand der Bürgerinnen und Bürger ist, dann braucht es die EWS im Prinzip nicht mehr. Aber es wird leider noch lange dauern, bis wir dieses Ziel erreicht haben.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Sladek.