Künstliche Intelligenz – „Roboter sollten eher wie Tiere aussehen“

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist für viele von uns nur schwer durchschaubar und sorgt vielfach für Verunsicherung. Im zweiten Teil unseres Gesprächs mit Professor Oliver Korn beschäftigen wir uns mit der Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz und erklären, warum selbst Wissenschaftler manche Entwicklungen kritisch sehen.

Oliver Korn ist Professor für Human Computer Interaction und Direktor des Affective & Cognitive Institute (ACI) an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien in Offenburg. Zentrales Ziel seiner Arbeit ist es, intelligente Systeme zu entwickeln, die sich durch ihre motivierende spielerische Anwendung auszeichnen und sich dem Nutzer sowie dem Kontext anpassen. Bei seinem jüngsten Forschungsprojekt SUITCEYES handelt sich um intelligente Kleidungsstücke für Menschen mit Taubblindheit.

Professor Korn, wie könnte man vorgehen, um die Akzeptanz von KI zu steigern?

Oliver Korn: Sie menschlicher zu machen, wäre sicher kein Patentrezept. Das schürt eher die Angst, dass der Mensch als überlegene Spezies vom Thron gestürzt werden könnte. Ich denke, es wäre sinnvoller, Roboter zu entwickeln, die wie Tiere aussehen. Wie ein Hund zum Beispiel. Das entspricht auch viel eher den Fähigkeiten, die Künstliche Intelligenz momentan hat. Denn wenn man einen Roboter menschenähnlich macht, dann werden ihm auch automatisch menschenähnliche Fähigkeiten unterstellt.

Wieso sind menschenähnliche, also humanoide Roboter ein Problem?

Oliver Korn: Denken Sie zum Beispiel an Sophia, den humanoiden Roboter, der in einem großen PR-Coup die saudi-arabische Staatsbürgerschaft verliehen bekam. Es entstand der Eindruck, dass sie eigenständig eine Unterhaltung führen kann und sie beeindruckte mit ihrer Mimik. Jedoch wurde Sophia für diesen Auftritt extra programmiert und mit vielen Daten gefüttert. Es war also eine große Täuschung. Die tatsächlichen Fähigkeiten von KI haben heute bei Weitem noch nicht das erreicht, was ein Mensch an Komplexität in seinem Gehirn bewältigen kann. In Einzelbereichen ist das möglich: beim Schach beispielsweise. In solchen sehr spezifischen und eng umrissenen Bereichen werden wir von der Künstlichen Intelligenz überflügelt, aber im Großen und Ganzen eben nicht.

Für das Thema KI herrscht momentan ein sehr großes Medieninteresse. Glauben Sie, dass dadurch eine verzerrte Darstellung des Status quo entsteht?

Oliver Korn: Die öffentliche Diskussion läuft aus meiner Sicht unabhängig von dem, was konkret vorhanden ist. KI beschäftigt uns ja schon seit Jahrzehnten. Und sie ist längst Bestandteil unseres Alltags geworden. Denken Sie an das Beispiel der Navigation mit Google Maps. Ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, nutzen wir die Künstliche Intelligenz. Sie existiert – aber eben auf einer sehr niedrigen Ebene. In einzelnen Bereichen ist das gut, die Systeme sind praktische Helfer. In anderen Bereichen gibt es noch große Entwicklungsmöglichkeiten.

Auf was sollte der öffentliche Dialog eher seinen Fokus richten?

Oliver Korn: Es sollte mehr darauf eingegangen werden, wo die echten Gefahrenpotenziale liegen. Wie das Beispiel mit den Flaschenautomaten, durch die Arbeitsplätze vernichtet werden, worüber zuvor niemand groß nachgedacht hat. Die sogenannten Radio Frequency Identification (RFID) Chips könnten der nächste Schritt in diese Richtung sein. RFID Chips bieten riesige Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten: zum Beispiel kontaktloses Bezahlen, Keyless-Funktionen bei Fahrzeugen – das kennt man schon. Doch vielleicht werden durch sie auch irgendwann keine Kassierer mehr in den Supermärkten benötigt

Oliver Korn: Mit diesen Chips könnte man den gesamten Abrechnungs- und Bezahlprozess an der Supermarktkasse automatisieren. Der Kunde könnte mit seinen Waren einfach den Laden verlassen, ohne aktiv zu bezahlen. Dieses System macht aber momentan nur dann Sinn, wenn die Produkte relativ teuer sind. Denn so ein RFID-Chip kostet in der Herstellung deutlich über 10 Cent. Und nehmen wir an, der Preis für Kartoffeln ist fix für 2-kg-Pakete festgelegt, aber ein Kunde will 2,3 kg, dann müsste dieser Chip auch noch extra beschrieben werden. Bis wir so weit sind, ist es Gott sei Dank noch eine Weile hin.

 
Einen kassenlosen Supermarkt gibt es aber sogar schon.
 

Oliver Korn: Ja, den gibt es. Das Bizarre ist, dass viele Menschen so etwas sogar vorziehen: Wer stellt sich schon gern an der Supermarktkasse an? Da steckt die Gefahr der KI: Dass diese Systeme den menschlichen Systemen vorgezogen werden. Deswegen halte ich es durchaus für sinnvoll, wenn man sich über so etwas wie Steuern für Roboter oder Steuern auf Künstliche Intelligenz unterhält. Denn wenn es das nicht gibt, wird immer das günstigere Verfahren präferiert werden – und das ist eben häufig das KI-basierte.

Ist es so gesehen überhaupt wichtig, dass aktiv an einer höheren Akzeptanz für KI gearbeitet wird, wenn die neuen Technologien doch so oder so kommen werden?

Oliver Korn: Wir können die Entwicklung der Technik natürlich nicht aufhalten. Aber man kann sie durchaus kritisch bewerten und sich fragen: Was wollen wir und wie wollen wir es? Wenn wir sagen, die Tätigkeiten an der Supermarktkasse sind nicht sinnstiftend und sollten automatisiert werden und anschließend haben wir eine Million oder mehr Arbeitslose, dann müssen wir uns gleichzeitig über Dinge wie ein Grundeinkommen unterhalten. Oder uns überlegen, wie wir in anderen Bereichen neue Jobs schaffen, die das ausgleichen. Die soziale Begleitung von Automatisierung, Digitalisierung und dem Einsatz von KI muss stärker in den Vordergrund rücken.

Bei all der Skepsis und den Ängsten gibt es aber auch Fälle, in denen Menschen sogar Empathie für Roboter empfinden. Es gibt ein Beispiel, wo ein Offizier einen stark lädierten Minensuchroboter aus Mitleid vom Feld zurückbestellte. Ob ein Mensch eine Maschine akzeptiert oder nicht, scheint also keinem klaren Muster zu folgen.

Oliver Korn: Im Allgemeinen ist dieses Phänomen ja oft beim Menschen zu beobachten: Was im Großen und Ganzen erst einmal Ablehnung auslöst, kann im Einzelnen durchaus menschliche Wärme und Empathie hervorrufen. Das genannte Beispiel mit dem Minensuchroboter finde ich im Grundgedanken sogar positiv. Wenn wir uns gegenüber Systemen, die sich zunehmend menschlich verhalten, unmenschlich verhalten würden, dann lernen wir sozusagen die Unmenschlichkeit und leisten der Verrohung Vorschub. Das sind genau die Punkte, wo wir uns unter ethischen Gesichtspunkten fragen müssen: Wie soll die Interaktion mit Robotern in Zukunft aussehen? Gerade auch im sozialen Bereich. Denkbar wären Richtlinien für eine wertschätzende Mensch-Roboter-Interaktion.

Sie scheinen das Thema KI auch selbst durchaus kritisch zu betrachten?

Oliver Korn: Wir Forscher sind schließlich ein ganz normaler Teil der Gesellschaft. Und bei vielen Entwicklungen, die ich sehe, muss ich auch den Kopf schütteln: wie bei den aktuellen humanoiden Robotern, die unserer Forschung eher schaden als nutzen, weil sie einen Stand der Technik vorgaukeln, den es so noch gar nicht gibt. Damit werden Ängste geschürt. Ich bin ziemlich sicher, dass wir diese überhitzte KI-Debatte um einiges sachlicher führen würden, wenn es nicht diese Flut an Youtube-Videos mit humanoiden Robotern gäbe. Das verleiht der Debatte eine Dringlichkeit, die sie so zumindest in manchen Bereichen noch nicht hat. Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen dem, was man sieht und den realen Möglichkeiten. Der Roboter, der uns allen den Arbeitsplatz wegnimmt, ist noch in weiter Ferne. Der Pfandautoamt, der einigen von uns den Arbeitsplatz wegnimmt, ist aber bereits Realität.