Serie Familie und Beruf: Pflege zu Hause

Mit dem Thema Pflege hatte ich mich bisher nur sehr oberflächlich beschäftigt. Es gab ja auch gar keinen Grund sich überhaupt Gedanken über das Thema zu machen. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Seit fast einem Jahr lebt ein über 90 Jahre alter Herr mit in unserer Hausgemeinschaft.

Was kann man selbst leisten und wofür braucht man Unterstützung?

Er hat seine eigene Wohnung, ist aber fester Bestandteil unserer Familie. Wir essen gemeinsam, wir kaufen gemeinsam ein. Wir sprechen über die Kleinigkeiten das täglichen Lebens, wir machen zusammen Urlaub und sind eben mehreren Generationen in einem Haus.

Schon zu Beginn des Zusammenwohnens haben wir uns Gedanken gemacht, was passiert, wenn er nicht mehr in der Lage ist, mit einfachen Dingen des Lebens selbst klar zu kommen: sich waschen und rasieren, frische Kleidung anziehen, Frühstück machen, Zeitung und Briefe lesen und Rechnungen zahlen. Was machen wir, wenn er vergisst, seine Medikamente zu nehmen oder wenn er irgendwann inkontinent wird?

Bisher hat das Zusammenleben gut funktioniert, aber in letzter Zeit wird deutlich, dass er in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht mehr so gut oder sogar gar nicht mehr alleine klarkommt.

Und schon sind wir, wie viele Familien, mitten im Thema „Wie organisieren wir die Betreuung und Versorgung in den eigenen vier Wänden?“ Stichworte: Pflegegrad, Pflegedienst und Betreuung. Welche externe Hilfe benötigen wir, was können wir auch weiterhin selbst machen. Worauf hat er überhaupt einen Anspruch? Müssen wir Hilfsmittel wie Toilettenstuhl, Badewannen-Lifter, Rollstuhl oder Rollator anschaffen und wer zahlt das alles? Und wer ist Ansprechpartner? Krankenkasse, Hausarzt, Seniorenbüro?

Viele Informationen findet man heutzutage natürlich im Internet. Auch der Hausarzt hat uns beraten und so haben wir in einem ersten Schritt die Einstufung in die Pflegestufe, jetzt Pflegegrad, beantragt. Das hat auch gut geklappt. Die Pflege und Betreuung kann noch im Familienkreis organisiert werden und bisher funktioniert das auch ganz gut.

Mit der Einstufung in den Pflegegrad verbunden ist zweimal im Jahr eine Prüfung durch einen zertifizierten Pflegedienst. Bei diesen Gesprächen geht es nicht nur darum, zu klären, ob die Pflege zu Hause auch im Sinne des zu Pflegenden läuft. Wir erhalten dabei auch Tipps und Ratschläge zur Pflege und Empfehlungen zur eigenen Entlastung. Diese Hilfestellung ist auch notwendig und sollte von allen, die einen alten Menschen zu Hause pflegen, in Anspruch genommen werden. Pflege ist eine Vollzeitaufgabe und kein Zuckerschlecken.

Das Zusammenleben unserer Hausgemeinschaft hat sich in wenigen Wochen sehr verändert. Ein bisher sehr rüstiger, interessierter und aufgeschlossener älterer Mensch verändert sich. Viele Dinge, die bisher selbstverständlich waren, fallen plötzlich schwer. Sein Gedächtnis lässt nach und es kommt immer wieder vor, dass er bisher bekannte Gesichter nicht mehr erkennt oder sich an Ereignisse oder Gespräche der letzten Zeit nicht mehr erinnern kann. Er ist ein nach wie vor sehr liebenswürdiger Mensch, der mit diesen Veränderungen, die er durchaus bemerkt, sehr zu kämpfen hat. Trotzdem hat unser gemeinsames Leben nach wie vor seine lustigen und fröhlichen Seiten. Und die werden wir gemeinsam genießen. Alles andere gehört dazu und auch das werden wir gemeinsam schaffen.

 

Isabel Achilles

ist seit 1998 bei der Volksbank Freiburg – seit 16 Jahren engagiert sie sich im Betriebsrat und ist seit 2016 als stellvertretende Vorsitzende für diese Arbeit freigestellt. Sie lebt über die Hälfte ihres Lebens in Freiburg und fühlt sich hier zuhause.